Faszination Fenster (2) – Der Blick durchs Gitter
Aus dem Gästehaus
Fenster gab und gibt es im Kloster nicht nur an den Aussenwänden, sondern auch im Innern; nämlich dort, wo früher der öffentliche Bereich endete und die Klausur begann.
Am sichtbarsten zeigt es sich noch heute an der Pforten-Tür, in die ein kleines vergittertes Fenster eingelassen ist. Doch das Kloster Maria der Engel war nicht immer ein geschlossenes Kloster. Erst ab 1888, also über 250 Jahre nach der Klostergründung, lebten die Schwestern in Klausur und beschränkten den Kontakt zur Aussenwelt auf ein Minimum. Ausnahme bildete der Unterricht an der Mädchenschule. Doch auch das Alte Mädchenschulhaus befand sich innerhalb der Klostermauern mit zwei Zugängen, einen von aussen für die Schülerinnen und einen für die Schwestern von der Klausur her.
Suppenabgabe durchs Fenster
Für andere Besucher, beispielsweise Angehörige oder die Beichtväter, gab es auf der Westseite einen separaten Eingang, von dem aus eine eigene Treppe zum Kapitelsaal führte. Durch dessen Mitte zog sich ein grosses Holzgitter, damit die Schwestern mit den Besuchern wohl sprechen, aber nicht in Berührung kommen konnten. Im Eingangsbereich gab es zwei halboffene Drehschränke, bei denen Gegenstände wie bei älteren Billetschaltern hinübergereicht werden konnten. Einer war für die Warenannahme gleich neben der Pforte, der andere diente in einem kleinen Stübli der Suppanausgabe an die arme Bevölkerung Appenzells. Schliesslich wurde die Klausur auch in der Kirche deutlich, wo die Schwestern entweder im Schwesternchor oder auf der Empore Platz nahmen. Während ersterer nur durch das grosse Altarfenster mit der Hauptkirche verbunden war, wurde auf der Empore zusätzlich ein Holzgitter auf die Brüstung montiert.
Heute ein offener Ort
Mit dem Weggang der Schwestern endete auch die 130jährige Klausur. Das Kloster Maria der Engel ist zwar noch immer ein Ort der Stille und der Einkehr. Doch ganz so still und abgeschieden ist es nicht mehr. Die mehreren Dutzend Freiwilligen, aber auch die Gäste der Herberge bringen Leben in die jahrhundertealten Mauern. Und die vergitterten Fenster? Bei der Pforte, auf der Empore oder im kleinen Gästezimmer sind sie noch vorhanden, während das grosse Gitter im Kapitelsaal entfernt wurde; und der Drehschrank der Essensausgabe dient im Klosterladen der Präsentation geistlicher Produkte. Achten Sie beim nächsten Besuch darauf!